„Aber woher kommt dann der schlechte Ruf des Wolfes?“
In Europa gilt der Wolf nicht als gefährliche Art für den Menschen
Eine der häufigsten Befürchtungen in den Gebieten in denen sich Wölfe wiederansiedeln lautet: „Wir können unsere Kinder nicht mehr allein zur Bushaltestelle gehen lassen, weil sie von Wölfen angegriffen und gefressen werden“.
Zur Beruhigung: Grundsätzlich identifiziert der Wolf den Menschen nicht als Beute. Seine Nahrung besteht hauptsächlich aus wildlebenden Huftieren (Hirsche, Rehe, Gämsen, Wildschweine, Damhirsche). Er ist vor dem Menschen eher auf der Hut, den er als potenzielle Bedrohung betrachtet und wenn er kann, meidet er Begegnungen.
In Italien und Frankreich, wo der Wolf heute auch in hügeligen und gebirgigen Gebieten (z.B. in den Westalpen) die von Touristen stark frequentiert werden, präsent und weit verbreitet ist, sind Sichtungen immer noch selten und es sind bisher keine Unfälle mit Menschen dokumentiert. Tatsächlich geht der Wolf normalerweise weg, um die Begegnung mit dem Menschen zu vermeiden.
Wie alle Wildtiere kann der Wolf ein unberechenbares, sogar aggressives Verhalten zeigen, wenn er eine Bedrohung wahrnimmt. Da es sich um ein wildes Tier handelt, ist ein respektvolles Verhalten ein Muss: Falls Sie auf Tiere treffen, die gerade an ihrer Beute fressen, ist es natürlich sinnvoll, Abstand zu halten und sich wegzubewegen. Dasselbe gilt für den Fall, dass Sie auf einen Wurf oder einen Wolf treffen, der verängstigt, verletzt oder in Schwierigkeiten ist und nicht fliehen kann.
Aber woher kommt dann der schlechte Ruf des Wolfes?
Archivdokumente (z.B. Pfarrarchive, Chroniken, Annalen, Verordnungen, Bekanntmachungen, Edikte usw.) berichten seit dem Mittelalter von Angriffen der Wölfe in ländlichen und alpinen Kontexten, die sich sehr von den heutigen unterscheiden. Damals war die menschliche Präsenz in alpinen Bereichen größer und die Zahl der Wildtiere, die dem Wolf als Beute zur Verfügung stand, viel geringer. Noch im 19. und am Beginn des 20. Jahrhunderts standen Mensch und Wolf (wahrscheinlich auch streunende Hunde) in ländlichen Regionen und vor allem in den kultivierten alpinen Landschaften in direkter Konkurrenz um Raum- und Nahrungsressourcen. In Zeitdokumenten wird von Angriffen durch Wölfe zu Nahrungszwecken berichtet: Die Opfer waren oft Kinder oder Frauen, die allein gelassen wurden, um den Tieren beim Grasen zuzuschauen – eine bis Anfang des 20. Jahrhunderts in den Alpen weit verbreitete Praxis. Damals waren die Methoden zur Feststellung der Verantwortlichkeit für Angriffe äußerst subjektiv. Im Gegensatz dazu, wird heute mittels genetischer Analysen an biologischen Proben (z.B. Speichel am Biss) eine objektive und belastbare Feststellung des Verursachers ermöglicht. In Italien gab es, zumindest seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges (mit Ausnahme eines zweifelhaften Falles im Jahr 1946), keine Angriffe auf Menschen zu Nahrungszwecken mehr.
Eine bedeutende Anzahl von Angriffen (tödlich oder nicht) auf Personen wurde in der Vergangenheit in Italien und Europa von Wölfen verursacht, die an Tollwut litten. Österreich gilt seit 2008 als Tollwut-frei, zuletzt wurde 2004 und 2006 bei je einem Fuchs Tollwut diagnostiziert – allerdings abstammend von einer Impfung. Auch die Nachbarländer Tschechien, Deutschland, Schweiz, Liechtenstein und Italien gelten bereits als Tollwut-frei. Die Wahrscheinlichkeit, heute von einem an Tollwut erkrankten Wolf angegriffen zu werden, ist daher nicht wirklich gegeben.
Heute kommt es vor allem in Gebieten der Welt zu Unfällen zwischen Wölfen und Menschen, in denen die Tollwut noch immer präsent ist und in ganz anderen Zusammenhängen als in Mitteleuropa (z.B. in Asien). Außerhalb dieser kritischen Gebiete in Europa und Nordamerika wird das Risiko von einem Wolf angegriffen zu werden, als sehr gering eingeschätzt – vor allem wenn man die Vorgeschichte dokumentierter Angriffe im Verhältnis zur Zahl der Wölfe in den verschiedenen Populationen betrachtet. Angriffe könne jedoch niemals absolut ausgeschlossen werden, zum Beispiel von Wölfen, die als habituiert definiert werden oder die gezielt von Menschen angefüttert wurden.
So wurden bei einer Population von etwa 60.000 Wölfen in Nordamerika im Zeitraum 2002-2019 nur zwei Ereignisse erfasst, bei denen Menschen durch einen Angriff von nicht an Krankheiten leidenden Wölfen getötet wurden (Quelle: Alaska Department of Fish and Game). Diese Ereignisse betreffen abgelegene Gebiete mit einer sehr dünnen Besiedelung, der nicht annähernd mit der in den Alpen vergleichbar ist. Um mehr über die Vorfälle zwischen Wölfen und Menschen in der Welt zu erfahren, ist das vollständigste und aktuellste Dokument (auch wenn es aus dem Jahr 2002 stammt) The fear of wolves. A review of wolf attacks on humans und die Aktualisierung.